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Xanten, im Dezember 2024

Die Metakrise ist die historisch einzigartige Bedrohung des Wahren, des Schönen und des Guten, die wir verursachen durch unser anhaltendes Missverständnis, Falschbewerten und Unterschlagen der Wirklichkeit. — Jonathan Rowson

Die Emergenz des menschlichen Bewusstseins erreichte seine aktuelle Konfiguration gerade einmal vor 125 000 Jahren mit dem spektakulären Debut des Homo sapiens, dem eine 10 000 Jahre dauernde Eiszeit vorausgegangen war, in der alles bis dato Erreichte scheinbar irreversibel verloren war. Aber das war es nicht! Unter dem Eis und der scheinbaren Verwüstung hatte die evolutionäre Reise sich ganz unbeirrt fortgesetzt. — Cynthia Bourgeault

dass sich das menschliche Bewusstsein in einer epochalen Krise befindet, erleben wir in jüngster Zeit an einer Vielzahl verstörender Anzeichen, deren tiefere Bedeutung wir immer weniger verstehen. Welche Weisheit vermag uns ein klareres Verständnis und neue Hoffnung zu verschaffen?

Cynthia Bourgeault: Liebe ist die Antwort. Wie lautet die Frage?

In einer bemerkenswerten Sammlung von Texten, die unter dem Titel Liebe ist die Antwort. Wie lautet die Frage? soeben im Chalice Verlag erschienen ist, wirft Cynthia Bourgeault ein erhellendes Licht auf unsere Situation. Dabei geht sie auf akute Entzündungsherde dieser Bewusstseinskrise ein, wie sie sich in der aktuellen geistig-politisch-sozialen Verfasstheit (insbesondere, aber nicht nur, in den USA unter Donald Trump) schmerzhaft äußern: im Fundamentalismus der religiösen Rechten, in den Exzessen einer politischen Korrektheit, im Trennungseifer identitärer Strömungen, im Salonfähigwerden von Lüge und Hass oder in der erbittert ausgetragenen Streitfrage des Schwangerschaftsabbruchs.

Dieses mutige Buch zeigt den erhabenen Blick einer modernen Mystikerin und Weisheitslehrerin auf diese Krisensymptome unserer Zeit, ohne sich in den Niederungen irgendwelcher Rechthaberei zu verlieren. Es tut dies, indem es keine einfachen Antworten predigt, sondern nach den richtigen Fragen sucht. Erst das aufrichtige Fragenstellen nämlich öffnet uns das Auge des Herzens für das Wirkliche, das Wahre, das Gute und das Schöne und für unsere Aufgabe und Verantwortung als Mitwirkende an der Schöpfung.

Vielleicht meint Teilhard de Chardin dies, wenn er davon spricht, »uns die Energien der Liebe nutzbar zu machen«. In unserer heutigen Zeit ist dies gewiss unsere beste – vielleicht sogar unsere einzige – Chance, etwas zu tun, was die Dunkelheit nicht zusätzlich verstärkt. Teilhards Gewissheit, dass Glaube nicht etwas ist, das wir haben, sondern etwas, das wir tun, ist vielleicht das bestmögliche Gegenmittel gegen die Verzweif­lung und das Misstrauen, die so viel von unserer postmodernen moralischen Entschlossenheit paralysieren. Es ist ein Ruf, aus dem Boot zu steigen und auf dem Ozean der Liebe zu gehen und zu entdecken, dass – trotz aller Angst und Skepsis – das Wasser uns wirklich trägt.

Yvonne Ferger: Wie wirklich ist unsere Wirklichkeit?

Ebenfalls ein aufregender Fragensteller ist der schottische Philosoph und Schachgroßmeister Jonathan Rowson, der den Begriff der »Metakrise« in einem eindrücklichen Video mit dem Titel Living in the Metacrisis ausführlich darlegt, das wir Ihnen unbedingt empfehlen möchten und dessen Text wir mit seiner freundlichen Erlaubnis im Chalice Magazin auf Deutsch veröffentlichen. Nach seinem Studium in Oxford und Harvard, das er mit einer Doktorarbeit über das Thema »Weisheit« abschloss, gründete er das Londoner Forschungsinstitut Perspectiva, das zu »besseren Beziehungen zwischen Systemen, Seelen und der Gesellschaft« beitragen will.

Erst seit relativ kurzer Zeit ist Jonathan Rowson übrigens seinerseits auf Cynthia Bourgeault aufmerksam geworden und sagt, dass er dabei erstmals verstanden habe, was das alte Sprichwort bedeutet: »Wenn der Schüler bereit ist, wird der Lehrer kommen.« Ihre Schriften hält er für

eine glaubwürdige und schöne Metaphysik, die das Christentum überschreitet und dennoch einschließt; sie legt eine Weltanschauung dar, die im althergebrachten Sinne nicht christlich, allerdings auch nicht nicht-christlich ist. Hinsichtlich visionärer Reichweite und Aktionsradius, intellektueller Stärke, Beherztheit, Komplexität und Energie kenne ich nur einen einzigen vergleichbaren Theoretiker: Sri Aurobindo.

Wir halten dies für ein hoffnungsvolles Beispiel dafür, wie sich der Geist über Fachgrenzen hinweg in menschlichen Begegnungen immer wieder aufs Neue verjüngt.

Cynthia Bourgeault and Iloia Dlio Shopping

Verabschieden wollen wir uns für dieses Jahr mit einem herrlichen Schnappschuss einer konfessionsübergreifenden Verschwisterung. Was unternehmen zwei theologische Outsiderinnen wohl, wenn das Wetter keinen thesensteilen Gedankenspaziergang zulässt? Unsere beiden Autorinnen Cynthia Bourgeault und Ilia Delio haben sich offenbar für einen unerschrockenen Einkaufsbummel entschieden…

Wir danken Ihnen für Ihr anhaltendes Interesse an unserer Arbeit und wünschen Ihnen einen glücklichen, gesegneten und furchtlosen Jahresausklang.

Mit herzlichen Grüßen

Unterschrift

Verlagsleitung

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