Ladislaus Boros

Foto © Annegret Boros

Ladislaus Boros

 

Ladislaus Boros wurde 1927 als Sohn einer Familie von Kleinindustriellen in Budapest geboren und genoss eine klassische geisteswissenschaftliche Erziehung im traditionsreichen Jesuitenkolleg von Kalosca. Nach seinem Abitur 1945 trat er ins Noviziat der Gesellschaft Jesu [/] ein und begann ein Studium der Philosophie an der Universität von Szegedin.

Als die politische Unterdrückung religiöser Gemeinschaften unter der russischen Besetzung Ungarns [/] nach dem Zweiten Weltkrieg immer weiter zunahm, flüchtete Boros wie viele seiner jesuitischen Mitbrüder auf abenteuerlichen Wegen aus dem Land und gelangte, versteckt im Bremsgestänge eines Güterbahnwagens, 1949 nach Österreich. Als Folge der Aberkennung seiner ungarischen Staatsbürgerschaft durch das kommunistische Regime lebte er bis zu seiner schweizerischen Einbürgerung fünfundzwanzig Jahre lang als Flüchtling (und zwar als »heimatloser«, wie er betonte) im Westen.

Sein Studium setzte er zunächst in Innsbruck fort, unter anderem bei Karl Rahner [/], dann in Turin und schließlich an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, wo er stark vom Religionsphilosophen Romano Guardini [/] beeinflusst wurde, dem Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels von 1952. Als Doktor der Philosophie promovierte Boros 1954 unter Prof. Dr. Aloys Wenzl [/] mit seiner Dissertation »Das Problem der Zeitlichkeit bei Augustinus«, die mit der Bestnote summa cum laude auszeichnet wurde.

Bereits in diesem Frühwerk (erstmals veröffentlicht in Band 8 unserer Ladislaus-Boros-Gesamtausgabe) leuchten sowohl die intellektuelle Brillanz und analytische Schärfe des jungen Denkers wie auch seine schnelle und eindrückliche Meisterung der deutschen Fremdsprache auf: Werkzeuge, mit denen er seinen späteren Erfolg als Vortragsredner und Autor zahlreicher Bücher über theologisch-philosophische Fragestellungen begründete.

Nach seiner Promotion in München studierte Ladislaus Boros drei Jahre lang Theologie im belgischen Enghien, wo er 1957 zum Priester geweiht wurde, sowie ein Jahr in Paris, in dem er unter anderem Pierre Teilhard de Chardin [/] persönlich kennenlernte, dessen Schriften über eine Synthese naturwissenschaftlicher und christlicher Denkansätze damals eine ganze Generation junger Theologen elektrisierten. Seine Ausbildung schloss Boros mit dem jesuitischen Tertiat [/] ab, einem Jahr der geistlichen Erneuerung und Vertiefung in die ignatianischen Exerzitien, das er in St. Beuno’s an der englischen Westküste verbrachte.

1959 übersiedelte Boros in die Schweiz und arbeitete von da an bis 1973 in Zürich als Mitglied der Redaktion der Jesuitenzeitschrift Orientierung: Katholische Blätter für weltanschauliche Information. Während dieser Jahre verfasste er zahlreiche Artikel zu grundlegenden und aktuellen Fragestellungen der Theologie, der Philosophie, der Kunst und der Kultur (nun erstmals vollständig gesammelt in den Bänden 10 und 11 unserer Gesamtausgabe). In der Abwesenheit von Mario von Galli [/], der während des Zweiten Vatikanischen Konzils von 1962 bis 1965 als dortiger Auslandskorrespondent nach Rom beordert war, leitete Boros als dessen Stellvertreter die Redaktion der Zeitschrift. 1974 erlangte er die Schweizer Staatsbürgerschaft.

Ladislaus Boros

Foto © Annegret Boros

Ladislaus Boros gehörte zu jenen »jungen wilden« Theologen, die in der Aufbruchstimmung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil [/] ihren Glauben lebendiger zu begreifen versuchten (womit sie bei vielen fortschrittlichen Zeitgenossen neue Hoffnung entfachten) und die katholische Kirche in wesentlichen Aspekten erneuern wollten (worin sie bitterlich enttäuscht wurden). Nach einem langen, schmerzhaften Entscheidungsprozess trat Boros 1973 aus dem Jesuitenorden aus, in dem er sich zunehmend »als Heimatloser« gefühlt hatte, obwohl er bis an sein Lebensende der Gesellschaft Jesu als solcher respektvoll verbunden sowie vielen seiner ehemaligen Mitbrüder freundschaftlich zugetan blieb. Im gleichen Jahr akzeptierte Papst Paul VI. [/] anlässlich einer Privataudienz das Gesuch des mittlerweile weltbekannten Buchautors um die Dispens vom Priesteramt.

Boros ließ sich in der Folge in Cham bei Zug nieder, wo er sich intensiv seiner Tätigkeit als Buchautor und Vortragsredner widmete. 1974 lernte er im Freundeskreis von Intellektuellen und Künstlern rund um den Luzerner Maler Max von Moos [/] die deutsche Buchhändlerin Annegret Kohlhof kennen, die er im darauffolgenden Jahr heiratete.

Seine vielen teils in hohen Auflagezahlen verkauften Bücher machten Boros im Laufe der Zeit weit über theologische Fachkreise hinaus bekannt und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Als gefragter Referent hielt er mehrere Hundert Vorträge in ganz Europa, die auf ein großes Echo stießen, sodass man schließlich – so schreibt sein Freund Josef Stierli SJ [/] in der Skizze »Ladislaus Boros: Der Mensch und sein Werk« – von einer regelrechten »Boros-Mode« sprechen konnte, wie es ein Jahrzehnt zuvor eine »Teilhard-Mode« gegeben hatte.

Einen besonders großen Einfluss auf die theologisch-philosophische Diskussion hatte Boros mit seiner radikalen Umdeutung des menschlichen Todes, die er in seinem 1962 erstmals erschienenen Werk Mysterium mortis: Der Mensch in der letzten Entscheidung darlegt, das auf Anhieb ein Bestseller wurde und bis heute sein bekanntestes Werk geblieben ist. In dem Buch entwickelt er mit philosophisch wie theologisch überzeugender Stringenz seine sogenannte »Endentscheidungshypothese«, wonach der Mensch erst im Augenblick seines Todes, in einem »letztgültigen vollpersonalen Akt«, seine Entscheidung für oder gegen Gott und damit über sein eigenes ewiges Schicksal trifft.

Die Gräber von Ladislaus Boros und Josef Stierli im Lasalle-Haus

Foto © Chalice Verlag

Vor seine eigene Endentscheidung gestellt sah sich Ladislaus Boros 1977, als bei ihm Kehlkopfkrebs im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert wurde, dessen Heilung als ausgeschlossen galt. Seiner Frau Annegret gelang es jedoch, den damaligen Direktor der Ohren-Nasen-Halsklinik am Universitätsspital Zürich, Prof. Dr. Ugo Fisch [/], zu einer bis dahin noch nie versuchten Operation zu überreden. Der neunstündige Eingriff verlief erfolgreich, allerdings zu dem schon von vornherein feststehenden Preis des Verlustes seiner Stimme. In der Folge kommunizierte Boros mithilfe einer Schreibtafel, des Lippenlesens seiner Ehefrau und später einer elektronischen Sprechhilfe. Während seine Vortragstätigkeit damit zwangsläufig zum Erliegen gekommen war, erholte er sich in den Folgejahren so gut, dass er sein Schreiben wieder aufnehmen und an weiteren Buchprojekten arbeiten konnte.

Am 8. Dezember 1981, von seiner Krebserkankung mittlerweile vollständig geheilt, verstarb Ladislaus Boros völlig überraschend bei einem Routineeingriff aufgrund eines Oberschenkelhalsbruchs im Krankenhaus Cham. Seine letzte Ruhe fand er auf dem kleinen Ordensfriedhof des jesuitischen Bildungszentrums Lasalle-Haus [/] im nahegelegenen Bad Schönbrunn, wo er – als einziger Nicht(mehr)jesuit – neben seinem langjährigen Freund Josef Stierli SJ begraben liegt.